Wir freuen uns, Ihnen unsere 103. dV-News (12-2024) mit einer Auswahl an Artikeln und Links zukommen zu lassen.
Seit der Gründung macht digiVolution immer wieder auf die Personalproblematik bei Berufen aufmerksam, die für das Funktionieren unserer digitalen Gesellschaft mittlerweile existentiell sind.
Als nationale Organisation für die Informations- und Kommunikationstechnologie hat ICT Berufsbildung Schweiz die aktuellen Zahlen für diesen Bereich.
Dieser Verband sagt uns seit 2022, dass unser Land bis 2030 120’000 neue Berufsleute braucht, sowohl um natürliche Abgänge wie Pensionierungen und berufliche Neuorientierungen auszugleichen als auch um den durch die Digitalisierung ausgelösten erhöhten Bedarf zu decken.
Während unser Bildungssystem 40’000 Personen ausbildet, hofft man, ebenso viele dank der (dauerhaften?) Vorteile unseres Arbeitsmarktes aus dem Ausland anzuziehen, und es werden noch einmal so viele fehlen. Wie eine wachsende Zahl von Studien zu diesem Thema zeigt, ist die Schweiz in dieser Situation nicht allein. Die USA suchen sogar 500’000 Personen im Bereich Cybersicherheit und die EU sieht sich einer vergleichbare Situation gegenüber mit einer Schätzung für 2022 von 260’000 bis 500’000 fehlenden Fachkräften. Für die Schweiz könnte es also schwieriger werden, Personal im Ausland zu rekrutieren. Im Jahr 2030 könnte die Lücke sogar noch grösser sein als bisher angenommen. Und für die KMU kommt noch der Re-krutierungswettbewerb durch die öffentliche Hand hinzu.
Sind in diesen Zahlen ausserdem die zahlreichen “Nicht-IT”-Stellen berücksichtigt, die für Produkte, Dienstleistungen und Innovationen der Unternehmen zentral sind? Wie steht es mit den transversalen Informationsberufen, die sich rasant entwickeln, und den Auswirkungen der Alterung der Gesellschaft, um nur zwei Schlüsselthemen zu nennen? In diesem Kompetenzbereich, der für die Gesellschaft jedoch lebenswichtig ist, fehlt die systemische Sichtweise, ebenso wie bei der Stromversorgung.
Der Fachpersonalmangel wird für Unternehmen und Staat immer schwerere Auswirkungen in Bezug auf die Arbeits- und Innovationsfähigkeit haben. Die Abhängigkeit von Technologieanbietern wird zudem ihre Souveränität erheblich schwächen. Und wer wird am Ende der Kette die Sicherheit der digitalen Gesellschaft gewährleisten?
In der Diskussion ist häufig von «Talenten» die Rede. Aus unserer Sicht ist es falsch, diesen Begriff zu verwenden, und deshalb haben wir im Titel dieses Beitrags ein Fragezeichen gesetzt.
Wir sind nämlich der Meinung, dass dieser Begriff uns in die falsche Richtung lenkt. Wir werden zwar immer ein paar kleine und grosse Genies brauchen, aber wir brauchen keine Individualisten, sondern Teams und ein funktionierendes Gesellschaftssystem. Die ganze Schweiz muss talentiert sein. In Übereinstimmung mit der Vision von digiVolution, die Cyberverteidigung des Landes in die Tiefe zu tragen.
Es sind nämlich nicht ein paar einzelne Talente, die unser wachsendes Defizit an Fachleuten nachhaltig verringern werden, und es ist auch nicht die ICT-Branche, die die Verantwortung für die gesamte Last tragen muss. Wie bei den Gesundheitsberufen braucht die Schweiz eine gelebte Strategie, um ihren Mangel an digitalen Kompetenzen in den Griff zu bekommen, und die Gleichung umfasst viele Variablen, wie hier vereineinfacht veranschaulicht wird.
Die wenigen Initiativen, die derzeit laufen, sind alle lobenswert, aber selbst ihre Summe kratzt nur an der Oberfläche. Schulkinder ein paar Zeilen Code schreiben zu lassen, wird das Problem nicht lösen. Wir müssen eine digitale Kultur und eine digitale Alphabetisierung entwickeln und uns von der Zermürbungslogik lösen, bei der wir auf Probleme nur mit linearen Lösungen reagieren. Das Problem wurde vor 25 Jahren erkannt und keine der ergriffenen Massnahmen konnte es eindämmen. Ist es also an der Zeit, die Methoden zu ändern. Und nicht zu vergessen, dass unser gesamtes Wirtschaftspotenzial von unserer digitalen Infrastruktur abhängt.
► dVPedia stellt sich vor – Am 25. Juni hatten wir die Chance, von Delphine Seitiée – Generalsekretärin von alp ict, der Plattform zur Vernetzung und Förderung der digitalen Wirtschaft in der Westschweiz, empfangen zu werden, um dVPedia vorzustellen. Wir haben unsere Cybersuite verstärkt und vereinfacht: Neu gibt es nur noch die vollständige Version mit kostengünstigen monatlichen oder jährlichen Abonnements. Eine deutsche Ausgabe des Videos wird folgen.
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BOOKS & REPORTS
Dies ist eine Liste relevanter Bücher und Publikationen, auf die wir bei unseren Recherchen der letzten Wochen gestossen sind. Sie finden sie auf dVPedia unter dVLibrary.
NEWS
► Die Plage der Desinformation – Wo immer man heute hinschaut, stösst man auf manipulierte Informationen, und die UNO ruft zu Massnahmen gegen Desinformation und Hassreden auf. In den USA hat die Zahl der Internetseiten, die Desinformation verbreiten, die Zahl der als vertrauenswürdig eingestuften Seiten übertroffen. Das versuchte Attentat auf Donald Trump könnte nun dazu beitragen, die ohnehin bereits angeheizte Stimmung bei den Wahlen weiter zu verstärken, da alle Arten von Verschwörungstheorien und Aufrufen zur Gewalt aufblühen könnten. In Europa sind die Wahlen, die Fussball-EM 2024 und die Olympischen Spiele ideale Gelegenheiten für die strategischen Gegner und Konkurrenten der EU, um zu versuchen, die Einheit der EU zu schwächen und von den weltweiten Einschaltquoten dieser Ereignisse zu profitieren. Es wurden bereits zahlreiche Fälle aufgedeckt und die USA haben Frankreich ihre Hilfe bei den Olympischen Spielen angeboten. In Frankreich hat das Militärministerium einen Leitfaden gegen Desinformation herausgegeben. Zum Abschluss dieses Themas empfehlen wir den EU-Kompass zur Überprüfung von Fakten, der es ermöglicht, die richtigen Fragen zu stellen und die Zuverlässigkeit von Informationen zu überprüfen.
Version française / Deutsche Fassung
► Schweizerische Politik – Im vergangenen Monat war auf Bundesebene viel los, und wir wollen drei Publikationen besonders hervorheben. • Der Bericht 2023 über die Cybersicherheit in der Bundesverwaltung: Der Bericht zeigt eine lange Liste von Verbesserungsmöglichkeiten und Schwachstellen auf, insbesondere in Bezug auf die Konformität, die Datenverwaltung und die Geschäftsbeziehungen mit externen Partnern. Wird der Bund jemals eine zufriedenstellende Situation erreichen? • Der Bericht über die Bekämpfung der Internetkriminalität in der Schweiz: Auch hier wird eine alarmierende Situation in der Strafverfolgungskette aufgrund unzureichender Ressourcen, Fehlfunktionen oder Lücken insbesondere in den gesetzlichen Grundlagen geschildert. • Der Bericht über Beeinflussung und Desinformation: Wir halten den Bericht für enttäuschend und die Schlussfolgerungen für naiv. Die seit mehr als 20 Jahren beobachteten Phänomene (siehe den vorherigen Punkt in diesem Beitrag) zeigen, dass Informationen mehr denn je eine strategische Waffe sind und dass man ihnen nicht durch ein wenig Analyse und Koordination entgegnen kann.
Für alle Interessierten sei noch erwähnt, dass zwei wichtige Texte in die Vernehmlassung gegeben wurden. • Die Verordnung über die Cybersicherheit (bis zum 13. September). • Der erläuternde Bericht zum Projekt “Sichere Mobilkommunikation” (bis zum 24. Oktober) begleitet durch die Änderung des Bundesgesetzes über den Bevölkerungsschutz und den Zivilschutz, um das allgemeine Governance-Prinzip des Projekts und die Kostenverteilung zwischen Bund und Kantonen zu verankern.
► Regulierung der KI – Im letzten Monat hat die Diskussion nicht nachgelassen. Weit davon entfernt. Für den Gesetzgeber ist die Regulierung eines Bereichs, den er nicht versteht und/oder nicht beherrscht, äusserst komplex. Am 13. Juni veröffentlichte die EU ihre KI-Regeln, die das Ergebnis zahlreicher Kompromisse sind und offenbar gut ankommen, während der Gesetzesentwurf Kaliforniens, der den Absichten Washingtons nachempfunden ist und dessen Rücknahme Trump bereits versprochen hat, den Zorn des Silicon Valley auf sich gezogen hat. In der Schweiz wird ein Text für Ende des Jahres erwartet, aber SWICO, der Verband der digitalen Wirtschaft, hat bereits signalisiert, dass er sich strikt gegen jede Form der technischen Regulierung ausspricht. Diese unterschiedlichen Positionen zeigen die wichtigsten Fronten auf, mit denen man sich auseinandersetzen muss: • Die Front des Liberalismus und des grenzenlosen Vertrauens in die Technologie und die Fähigkeiten der Industrie, verantwortungsvoll zu handeln; die immer wiederkehrenden negativen Erfahrungen mit den Tech-Giganten sollten jedoch zur Vorsicht mahnen; • die Front der Angst, die dazu führt, dass man alles engmaschig kontrollieren will. Es ist offensichtlich, dass wir einen Mittelweg zwischen Engel und Teufel finden müssen…!
Das war’s für diese 103. Ausgabe. Wir hoffen, dass sie Sie einmal mehr inspiriert hat und wünschen Ihnen viel Spass beim Entdecken der ausgewählten Artikel und Links.
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